Härtetest für Fahrräder

Lack für Mountainbikes im Härtetest

Am 10. Mai 2021

Die Lust an der Last

Die Radtour als Belastungsprobe. Schlamm, Steinschlag und Schmuddelwetter strapazieren Mensch und Maschine. Was der innovative Lack auf dem Rahmen aushält, zeigt sich im Gelände. Deshalb auch findet der Härtetest bei strömendem Regen statt.

Über das Wetter lässt sich streiten: zu kalt, zu heiß, zu trocken. Jetzt gerade ist es definitiv zu nass. Am Biergarten Katzenbacher Hof vor den Toren Stuttgarts tröpfelt es zunächst, Sekunden später schon schüttet es aus bleigrauem Himmel. Der Regen sprüht fein oder klatscht heftig, prasselt von oben oder kommt mit dem Wind von vorn. Jörg Glocker scheint davon unbeeindruckt. „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“, bemerkt der 47-jährige Director Legal and Compliance bei Wörwag trocken. Ab aufs Mountainbike, Regen hin oder her. Korrekterweise sei erwähnt, dass sattelfeste Radler einiges abkönnen. Unterwegs pudelnass werden – das gehört dazu. Aber schon nass losfahren? Nur wenn es unbedingt sein muss …

Glocker nimmt selbst das gelassen. Man müsse sich Ziele setzen und diese erreichen, so sein Credo. Heute sollen Lacke für Mountainbikes im Gelände getestet werden. Daran kann nicht einmal der Wettergott rütteln. Also rein in die Klickpedale und los. Ein Gutes hat der Dauerregen: Die Waldwege zwischen Katzenbacher Hof, Schloss Solitude und Glemseck sind so gut wie leer. Hier und da ein gequält unterm Cape hervorlugender Hundebesitzer mit seinem ebenso schwach motivierten Vierbeiner – mehr Publikum gibt es heute nicht.

Zunächst geht es zum Pfaffenwald hin leicht bergab. Glockers Puls bleibt im Ruhemodus, der Weg kommod. Von knotigen Wurzelsträngen oder tiefen Löchern noch keine Spur. Dann sanft bergauf Richtung Universität. Für Glocker ist das bloß ein leichtes Vorglühen der Muskulatur. Nach zwei Ris-sen der Achillessehne sattelte der ehemalige Handballer um aufs Rad. Aber nicht, um sonntags zum Bäcker zu rollen. An die 7000 Kilometer schafft er im Jahr, bezwingt Schikanen wie den Anstieg zum Stilfser Joch oder den Start zum Albstadter Bike-Marathon. „Solche Herausforderungen brauche ich“, bekennt er. Prompt kommt die nächste, diesmal bergab.

Steil hinunter führt die Schotterpiste auf die Bundesstraße zu. Wer hier zu hart in die Vorderradbremse greift, geht über den Lenker. Wer nicht bremst, direkt ins Krankenhaus. Glocker meistert die Aufgabe mit Fingerspitzengefühl. Danach führt die Route an den Seen entlang zum Bärenschlössle. Ausgewaschene Wege, lose Steine, Pfützen, Wurzeln. Es rüttelt am Lenker, Regentropfen auf der Brille stören die Sicht, Glocker konzentriert sich, weicht triefnassen, herunterhängenden Ästen aus, findet den besten Weg. Das ist jetzt nichts mehr für Sonntagsfahrer, eher was für Kämpfer.

Der Sportler erwacht

Dranbleiben – ohne diese Fähigkeit Glockers und seiner Mitstreiter wäre Wörwag heute wohl kaum mit einem ganzen Radlacksystem am Markt. Auch mit Lacke für Mountainbikes. Bei der Endversiegelung der Rahmen lagen die Stuttgarter zwar schon lange vorn. Dann aber suchte ein Kunde eine Komplettlösung aus Grundierung, Basislack und dem bereits erhältlichen Acrylpulverklarlack. Wörwag begab sich an die Entwicklung, die später jedoch ins Stocken geriet und 2011 angesichts neuer Prioritäten beinahe eingestellt wurde. „Dann allerdings“, so Glocker, „wäre die ganze Arbeit umsonst und das investierte Geld verloren gewesen.“

Dies wiederum weckte in Glocker den Sportler. Dranbleiben, Zähne zeigen, auch Mal einen Rückschlag einstecken. Wer wie Glocker einen Marathonlauf ab Kilometer 28 mit Krämpfen durchsteht oder im Starkregen radelt, den wirft so schnell nichts aus der Spur. Wörwag holte sich Experten ins Boot, der Lack wurde fertig entwickelt, getestet vom Kunden freigegeben und ist seit Anfang 2015 auf dem Markt.

Das war zähe Arbeit, manchmal auch klebrig wie jetzt der Anstieg zum Schloss Solitude. Kaum sichtbar, zieht er sich in Wellen durch den Wald. Von innen wird es warm, von außen kühlt der Regen. Immer wieder schleudert der Reifen Schottersteinchen gegen den Radrahmen. Doch der Lack hält, die Schutzschicht ist wie das Wetter: extrem.

Mehr Fahrräder als Autos

Halbzeit, Wendepunkt. Zurück geht es auf einem anderen Weg. Auch das ist Programm: Oft kommt weiter, wer neue Pfade einschlägt. Gerade in der Entwicklung ist dies ein Schlüssel zum Erfolg. Beim Radlack hat sich der Ansatz ebenfalls bewährt. Die Perspektiven glänzen: Europaweit gibt es im Fahrradbau nur einen Wettbewerber, in der Autoindustrie sind es ein Dutzend. Und es werden deutlich mehr Räder produziert als Autos. 5000 Tonnen Lack im Jahr scheinen erreichbar. Dranbleiben lohnt sich auch hier.

Wie auf Glockers Ausritt. Denn noch vermisst er den wahren Kick. Plötzlich taucht sie auf, die Wand. Nicht besonders lang, aber steil. So steil, dass das Hinterrad durchdreht, wenn man sich in die Pedale stellt. Das muss früher eine Holzrutsche gewesen sein. Also sitzen, treten und ein wenig leiden. Glocker ist topfit, doch auf diesem Anstieg verlässt selbst sein Puls die Komfortzone, surrt die Kette nach links auf das größte Ritzel. Wobei es beim Stich durch den Pfaffenwald keine hinreichend kleine Übersetzung gibt. Oben keucht sogar Glocker, ein Ziehen in den Waden meldet die Last. Aber die ist für einen Radsportler ja zugleich Lust. Flachland kann schließlich jeder. Darum strahlt der klatschnasse Biker: „Mein erstes Ziel heißt Ankommen.“ Ab hier dürfte das kein Problem mehr sein, der Rest der Strecke ist eben.

Zurück am Katzenbacher Hof. Nass, dreckig, aber durchgehalten. Dem Regen und der Wand getrotzt. Es waren ja bloß 24 Kilometer. Für einen wie Glocker ein Klacks, da fährt er sonntags mit Frau und Kindern schon mehr. Ach ja, der Regen: Pünktlich am Ziel hört er auf.

 

Der Artikel zu Lacke für Mountainbikes erschien erstmalig im Wörwag-Kundenmagazin finish im Jahr 2015.